TippsundTricks
Ein Handwerker trägt Blaumann. Und der Heimwerker eine uralte Jeans zum Dreckigmachen. Klischee oder Realität? Das erklärt dir Dieter Gorff von Kübler Workwear. Seit 1956 produziert das Familienunternehmen in Plüderhausen bei Stuttgart Berufsbekleidung. Aus dem Haus stammt auch der „Blaue Anton“ – der wohl bekannteste Begriff für den klassischen Arbeitsanzug. Auch der Clipo-Verschluss für Latzhosen und Hosenträger wurde bei Kübler entwickelt und patentiert.
Klamotten aus dem Baumarkt
DIY Academy:
Herr Gorff, wer kauft Ihre Arbeitskleidung? Sind das Profis oder auch ganz normale Leute?
Gorff:
Bei unseren Kollektionen finden neben dem Industriearbeiter und Handwerker auch Heimwerker die passende Workwear, also Arbeitsbekleidung. Die kann jeder direkt im Baumarkt um die Ecke kaufen.
DIY Academy:
Das heißt, man kann im Baumarkt die Arbeitshose gleich anprobieren?
Gorff:
Ja, genau. Meistens gibt es sogar eine Umkleidekabine. Außerdem legen wir Wert darauf, die Produkte nicht in Tüten zu verpacken. So kann man das Material direkt anfassen, fühlen und auch ohne große „Aufreißaktion“ mal in die Hose reinschlüpfen.
Arbeitshose ist am nützlichsten
DIY Academy:
Was ist für Heimwerker eine sinnvolle Anschaffung? Eine Hose, eine Jacke oder doch lieber Sicherheitsschuhe?
Gorff:
Je nachdem, welches Projekt ansteht, ist alles sinnvoll. Für uns als Hersteller ist die Hose, ob jetzt Bund- oder Latzhose, der wichtigste Artikel. Hosen werden nicht nur am häufigsten verkauft, sondern bieten dem Träger auch die meiste Funktion und Unterstützung.
DIY Academy:
Was leistet denn eine Arbeitshose im Vergleich zu einer normalen Jeans?
Gorff:
Da gibt es gravierende Unterschiede. Die Ansprüche von heute sind ganz andere als vor 10 Jahren. Das bedeutet, unsere Hosen sind unter anderem ergonomisch geschnitten für mehr Bewegungsfreiheit. Eine Jeans hat zum Beispiel in den meisten Fällen eine gerade Beinnaht, also kein vorgeformtes Knie wie unsere Workwear. Deshalb bietet eine Arbeitshose ein deutlich angenehmeres Tragegefühl. Dies liegt mit daran, dass wir Menschen ja nicht immer nur kerzengerade stehen oder laufen. Meist ist das Knie leicht gebeugt und wenn meine Hose nun einen ergonomischen Schnitt hat, spüre ich sie weniger auf der Haut. So entsteht aus einem verhältnismäßigen kleinen Detail ein großer Nutzen für den Träger.
Ein Loch bedeutet nicht das Ende
DIY Academy:
Gibt es Bekleidung bei Ihnen – abseits vom Standard-Blaumann und Co. – die sich für den normalen Anwender besonders eignet?
Gorff:
Es ist erst einmal nicht ausschlaggebend, ob es sich um einen Profi oder einen normalen Anwender handelt, sondern das Vorhaben spielt die entscheidende Rolle. Auch ein Heimwerker, der nur gelegentlich Holz macht, muss beim Arbeiten mit einer Kettensäge Schnittschutzkleidung tragen – und diese sollte zertifiziert sein. Die Gefahren werden gerade von Laien oft unterschätzt. Eine gute Allrounder-Funktion hat unsere derzeit erfolgreichste Produktlinie „Pulsschlag“. Sie sieht nicht nur gut aus, hat einen ergonomischen Schnitt und Stretch-Einsätze, sondern besteht aus einem sehr leichten und strapazierfähigen Material mit Ripstop-Gewebe, das auch noch wasser- und schmutzabweisend ist.
DIY Academy:
Was kann Ripstop-Gewebe aushalten?
Gorff:
Das Gewebe ist mit einer speziellen Technik gewebt und besonders reißfest. Optisch sieht es ein bisschen so aus wie in einem Rechenheft. Durch diese Karo-Struktur hat das Gewebe eine besonders hohe Weiterreißfestigkeit. Sollte es also doch mal passieren, dass ich mit der Hose irgendwo so hängenbleibe, dass ein Riss oder Loch entsteht, kann ich trotzdem weiterarbeiten, weil ich keine Angst haben muss, dass der Riss weiter aufgeht, bis schließlich die komplette Hose offen ist – was bei anderen Geweben durchaus passieren kann! Außerdem hat die „Pulsschlag“-Bundhose einen höheren Stretchbund – da sieht man dann nicht nur kein Bauarbeiterdekolleté, sondern die Hose schützt auch bei kühlerem Wetter den Nierenbereich.
DIY Academy:
Wie teuer ist so eine Hose?
Gorff:
Das „Pulsschlag“-Modell kostet knapp 70 Euro. Wenn man berücksichtigt, was die Hose kann, ist das wirklich preiswert. Gerade im Vergleich zu einer modischen Jeans ohne Zusatznutzen, die gerne mal 100 Euro und mehr kostet. Selbstverständlich gibt es auch günstigere und teurere Modelle.
Schluss mit dem Maurerdekolleté
Eine spezielle Arbeitshose kann es dir also deutlich leichter machen. Und das muss heute nicht mehr der Blaumann sein – nicht jede und jeder gefällt sich in Latzhose. Auch eine moderne Bundhose erfüllt viele Bedingungen. Dazu gehört neben einem robusten, schmutz- und wasserabweisenden Gewebe ein ergonomischer Schnitt, der mehr Bewegungsfreiheit ermöglicht. Ein hoher Bund sorgt gerade am Rücken für ein angenehmes Tragegefühl – auch bei gebückten Arbeiten erspart man sich kalte Nieren und anderen den Anblick eines berühmt-berüchtigten Maurerdekolletés.
Arbeiten auf Knien – aber bequem!
Wer viel am Boden zu tun hat, wird Knieschutzpolster zu schätzen wissen. Braucht man sie nicht mehr, werden sie einfach aus den entsprechenden Taschen herausgenommen. Überhaupt, Taschen: Die sind bei Arbeitshosen extrem wichtig. Damit Zollstock, Bleistift und Cutter beim Sitzen oder Hocken nicht unangenehm einschneiden, ist eine entsprechend längliche, frei hängende Seitentasche Gold wert. Während man das Handy, Geld oder andere wichtige Kleinigkeiten am liebsten sicher hinter einem Reißverschluss verborgen weiß, sind ansonsten große Taschen mit und ohne Klappen wichtig, die Platz für Werkzeuge oder Utensilien wie Handschuhe bieten, an die man aus fast jeder Position gut herankommt.
Manche Ausstattung bietet einen witzigen Zusatznutzen: Dieser Stretchgürtel etwa hat auf der Innenseite der Schnalle einen Flaschenöffner, der Kronkorken etwa vom erfrischenden Wasser in der Pause oder vom beliebten Feierabendbier entfernt.
Spezielle Mode für Frauen
DIY Academy:
Mir ist aufgefallen, dass vermehrt Leute auch im Alltag Kleidung tragen, die eigentlich offiziell als Arbeitskleidung verkauft wird.
Gorff:
Das stimmt. Workwear ist heute definitiv salonfähig, das war früher nicht so. Da hat man sich erst beim Kunden oder im Betrieb umgezogen. Heute haben die Leute kein Problem mehr damit, mit der Bekleidung einkaufen zu gehen und sich auch in der Freizeit damit zu zeigen.
DIY Academy:
Sie haben auch Kleidung speziell für Frauen auf den Markt gebracht. Gibt es jetzt vielleicht eine „Blaue Antonella“?
Gorff:
Den „Blauen Anton“ gibt es nicht im Damenschnitt. Wir haben uns mit dem Thema Frauenarbeitskleidung aber vor circa 13 Jahren beschäftigt. Da gab es dann die erste Damenhose und die erste Damenlatzhose. Heute ist das ganz normal. Es gibt auch immer mehr Frauen im Handwerker- und Do-it-yourself-Bereich. Gerade im Baumarkt merken wir, dass mehr Frauen Workwear kaufen. Und die möchten Hosen tragen, die passen und keine kleinen Herrengrößen. So kommt jetzt auch immer mehr Farbe ins Spiel und es gibt sogar Damen-Workwear in Schwarz-Pink. Auch wenn es viele nicht glauben wollen: Das kommt sehr gut an!
DIY Academy:
Warum haben Sie auch Bekleidung für Kinder im Angebot?
Gorff:
Wir haben aktuell eine Hose und eine Softshelljacke für Mädchen und Jungs. Hier geht es um die Verbindung zu den Eltern. Wir nennen es auch so: „So cool wie Mama oder Papa.“ Die Kinder möchten so aussehen, mitmachen und helfen. Die Kinderhose ist dabei genauso strapazierfähig wie die Hose der Großen, hat die gleichen Taschen für Werkzeuge und ist wasser- und schmutzabweisend. Die kann ich bei 60 Grad waschen und in den Trockner tun. Also auch perfekt als Kindergarten- und Freizeithose, denn im Vergleich zu einer Kinderjeans ist unsere Kinderhose fast unzerstörbar.
Zukunftsmusik
DIY Academy:
Wie wird sich Arbeitsbekleidung künftig weiterentwickeln?
Gorff:
Der Anspruch der Träger an Design, Ergonomie, Passform, Tragekomfort und Funktion wird weiter wachsen. Es wird immer wieder neuartige Materialien geben. Auch die Nachfrage nach Maßanfertigungen und komplett individualisierten Artikel wird weiter wachsen. Es ist ja bereits möglich, sich mit dem Smartphone zu vermessen. Als Hersteller beschäftigen wir uns selbstverständlich mit solchen Themen. Es ist ja mittlerweile keine Raketenwissenschaft mehr, einen Sportschuh mit dem 3D-Drucker auszudrucken. Da ist auch in der Workwear-Welt noch vieles möglich.